Eine aktuelle Studie der Quadriga Hochschule mit über 2.000 PersonalentwicklerInnen und Führungskräften stellt fest, dass Coaching wirkt. Knapp 80 Prozent der Befragten bewerteten Coaching als „wirksam oder eher wirksam“. Das ist erfreulich – gleichzeitig aber aus meiner Sicht auch eine Schwelle, die genommen werden muss, wenn dieses ressourcenintensive Instrument professionell zum Einsatz kommt.
Diese Studie, die anders als die Marburger Coaching Studie (zuletzt 2016/17 und sowohl mit Unternehmen als auch und überwiegend Coaches durchgeführt) nur die „KundInnenseite“ betrachtet, kommt zu recht ähnlichen Ergebnissen bezüglich Anlässen, Erfolg und Evaluierung: Über 60 Prozent würden gern mehr Coaching anbieten und zu den Hauptanlässen zählen neue berufliche Rollen und Konfliktsituationen. Zunächst auch positiv erscheint mir, dass 54 Prozent der Befragten (überwiegend Top-Führungskräfte) Coaching-Techniken in ihr Führungsinstrumentarium aufnehmen. Immerhin die Hälfte der Befragten mit eigener Coachingausbildung sahen einen Rollenkonflikt zwischen „Coach“ und „Führungskraft“ (die Autoren merken selbstkritisch an, dass ihre Fragestellung zu diesem Punkt ungenau war): Für mich als systemischer Business Coach ist die Unterscheidung zwischen „Coaching-Techniken anwenden“ (hilfreich) und „ein Coaching durchführen“ (No-Go) elementar: Eine Führungskraft kann unmöglich eine (abhängige) Person innerhalb des gemeinsamen Systems coachen.
Ebenfalls interessant: Auftraggeber*innen achteten bei der Auswahl von Coaches am meisten auf Coaching- und auch Führungserfahrung (95 beziehungsweise 66 Prozent ziemlich/sehr). Eine anerkannte Zertifizierung spielte eine ähnlich mittelwichtige Rolle als Argument wie das Bauchgefühl – was den Coaching-Verbänden zu denken geben müsste, die sich ja unter anderem der Anerkennung von Qualität auf dem intransparenten Markt der Coaches verschrieben haben.
Gute Coaches finden – Fünf Anhaltspunkte zur Orientierung
Drüben auf meinem Blog habe ich vor einiger Zeit ein paar persönliche Tipps zusammengetragen, woran man sich orientieren kann und meiner Meinung nach sollte – hier die Kurzfassung:
Ausbildung und Anerkennung: Zertifiziert werden zunächst nicht Coaches, sondern Ausbildungseinrichtungen. Eine anerkannte Ausbildung ist ein guter erster Filter (in meinem Fall war das die coachingakademie Hamburg , die über den in Deutschland führenden Verband DBVC und die International Organization for Business Coaching zertifiziert ist). Eine Verbands-Mitgliedschaft spricht für Engagement und Interesse an Austausch, Entwicklung und Anerkennung der Branche, ist aus meiner Sicht aber kein Indikator für eine gute Coaching-Erfahrung.
Coaching-Erfahrung: Die Anzahl der Jahre als Coach halte ich für deutlich weniger relevant als die meisten Befragten in der aktuellen Quadriga-Studie (s.o.). Während „alte Hasen“ sicher wendiger und spontaner mit ihrem methodischen Repertoire umgehen können als diejenigen mit weniger Erfahrung, zählen aus meiner Sicht Haltung und Gespür mindestens ebenso sehr. Ich durfte schon sehr talentierte „Coach-Junioren“ erleben und eher „satte“, mittelmäßige, aber seniorig auftretende Coaches – bestrafen Sie bitte nicht die Jugend! (Ich selbst bin übrigens mittelalt und seit sechs Jahren als Coach aktiv…).
Feld- und Führungserfahrung: Viele Coaching-Interessierte suchen sich Coaches, die sich in ihrer Branche auskennen, vergleichbare (oder überhaupt) Führungserfahrung mitbringen – ich kann das verstehen und halte es oft wirklich in der Bearbeitung von Themen für hilfreich (siehe auch: „Stallgeruch“). Aus meiner Sicht spricht ähnlich viel dafür, bewusst mit jemandem zu arbeiten, der oder die dem Coachee fachlich vollkommen unwissend, als „Nicht-Expert*in“ begegnet. Die Gefahr, mit Projektionen, Ratschlägen etc. konfrontiert zu werden, ist in diesem Fall deutlich geringer, die Wahrscheinlichkeit, neue Perspektiven auf die eigene Situation kennenzulernen, dafür umso höher! Mein Appell an dieser Stelle: Ziehen Sie zumindest beide Alternativen in Betracht und fragen Sie sich ehrlich, ob und wie viel Beratung Sie vielleicht doch im Coaching erwarten (mehr über Rollenklarheit in diesem Beitrag).
Unternehmerischer Auftritt: Die wenigsten Coaches leben ausschließlich von dieser Tätigkeit; die allermeisten haben zumindest eine zusätzliche Tätigkeit. Die Preis- und Angebotsspanne ist enorm. Ich persönlich halte es für unethisch, Coaching zu „verkaufen“ und betrachte fixe Paketpreise etc., auch wenn dies unternehmerisch betrachtet attraktiv erscheint, sehr skeptisch: Manche Anliegen lösen sich überraschend schnell auf, bei einigen sind „die Themen hinter den Themen“ doch größer als in der ersten Auftragsklärung absehbar. Ich persönlich würde auf große Flexibilität und Transparenz achten auf der Suche nach einem vertrauenswürdigen Coach.
Vertrauen und Sympathie: Ob Coach und Coachee zusammenkommen, entscheidet sich wie bei allen „People Businesses“ häufig sehr schnell und intuitiv. Und dieses Bauchgefühl hat absolute Berechtigung in der Auswahl. Ein kleiner, etwas warnender Zusatztipp: Achten Sie darauf, dass sowohl Sie als auch Ihr Coach sich nicht „verschwestern“ – was auch immer Sie motiviert hat, in Coaching Zeit und Geld zu investieren: Es bleibt Ihr Anliegen; Sie müssen niemandem gefallen!